Zugegeben, es hat mich vier Monate gekostet. Epische tausend Seiten, zum Teil recht zäh, aber am Ende ein wundervolles und einzigartiges Buch. Oder, die beste Beschreibung ist wohl: ein episches Buch. Das ist Der Zauberberg.
Ich möchte ein paar Gedanken dazu teilen. Banale Gedanken wahrscheinlich, denn über dieses Buch wurde schon sehr viel, von sehr viel fachkundigeren Menschen geschrieben.
Die Länge
1000 Seiten, wie gesagt. Bei so langen Büchern frage ich mich immer: muss das sein? Man könnte den „Zauberberg“ auch kürzen (ja, welch ein Frevel), aber es gibt Szenen, die bis an meine Schmerzgrenze gezogen werden: Naturbeschreibungen, philosophische Abhandlungen, Schilderungen von Musik. Es sind teilweise Aufsätze eingebettet in das Buch. Nicht zwingend für die Handlung notwendig, aber von enormer sprachlicher Qualität. Es ist mir ein Rätsel wie man(n) zu dieser Vielfalt an Worten und zu dieser Treffsicherheit bei Beschreibungen fähig ist.
Gleichzeitig ist die schiere Länge ein erzählerischer Kniff von Mann. Hans Castorp, der Protagonist, verlebt sieben Jahre am Arsch der Welt, ohne wirkliche Aufgabe. Eine lange Zeit in der Erzählerzeit selbst, die durch die schiere Länge des Buches auch für den Leser fühlbar wird. Man versinkt in dieser Parallelwelt (die echte Welt ist im Tal) genauso wie Castorp eben selbst. Ich war beim Lesen auch auf dem Berg – und vergaß ein wenig meine Wurzeln da unten. Der Zauberberg lullt einen ein – im positiven wie im negativen Sinne.
Der Protagonist
Der Protagonist bleibt eigentlich ziemlich blass – und scheint gerade deswegen genau richtig für die Geschichte. Hans Castorp nimmt den Leser mit auf den Zauberberg, wir folgen ihm. Castorp ist alles und nichts. Immer irgendwo in der Mitte und selbst (wie wir Leser auch) oft ein eher neutraler Beobachter. Auch ein erzählerischer Kniff von Mann, glaube ich. Jeder kann sich mit Castorp identifizieren – und es sind doch immer die anderen, die irgendwie komisch sind. Im echten Leben und auch im Zauberberg.
Castorp sieht sich zu Begin nur als Besucher in der Heilanstalt. Er selbst ist ja gesund. Doch der schleichende Prozess beginnt und die Geschehnisse rund um Castorp sprechen eine klare Sprache: Du bist hier nun festgesetzt. Nur sein Inneres, seine Emotionen scheinen sich dem nicht so recht öffnen zu wollen. Zumindest über weite Strecken des Buches. Irgendwann wird ihm mehr und mehr bewusst: Es gibt keine Alternative mehr und irgendwie fühlt er sich damit auch frei.
Die Moral
Das Buch ist im Kern komisch. Es ist eine leichte Geschichte, die die Charaktere immer leicht zu ĂĽberziehen scheint. Nicht zum laut Lachen, eher fĂĽr einen leicht ironischen Abstand zum Geschehen. Castorp selbst bewahrt sich diesen leicht distanzierten und sĂĽffisanten Blick auf die anderen Patienten (oder besser Bewohner?) und tritt dem Elend und Leid, das in einer Heilanstalt natĂĽrlich zugegen ist, mit seltsamer GleichgĂĽltigkeit entgegen.
Eigentlich ist er jemand, der seinen Platz in der Welt nie gefunden hat. Ein Waise, der eben so halb motiviert macht, was die Welt von ihm erwartet. Auf dem Zauberberg findet er nicht wirklich eine Aufgabe, aber er teilt die Sinnlosigkeit mit den anderen. Er wird frei von jeglichen Erwartungen, die die Gesellschaft so parat hat – und das kleine Dorf auf dem Berg reicht ihm als Kosmos.
Was will uns Thomas Mann damit sagen? Vermutlich nichts? Ich weiĂź es nicht. Vielleicht wollte er einfach eine zauberhafte Geschichte schreiben.
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